Plagiat – made in China

Vor einigen Wochen hatte jemand im DSLR-Forum ganz begeistert über einen Hersteller aus China berichtet, der nur über eBay verkauft. Er lobte dessen Carbon -Stative und einen Kugelkopf. Der Kugelkopf sollte praktisch baugleich zum RRS (Realy Right Stuff) BH-50 sein. Mit dem kleinen Unterschied, dass das Plagiat etwa 400 Euro günstiger wäre.

Angeblich war das Plagiat so sehr am Original orientiert, dass der Kugelkopf nun nicht mehr auf der Seite des Chinesen geführt wurde. Nun, lassen wir es einmal dahin gestellt, ob sich Hersteller aus China wegen Plagiatsklagen bedroht fühlen… Ich habe mir das Angebot einmal angesehen und gesehen, dass dieser Hersteller aus China einen Kugelkopf anbietet, der dem RRS BH-40 doch sehr ähnelt. Also bestellte ich mir den Kopf für 80 Dollar über Ebay.

Grundsätzlich ist das immer wieder ein Problem in der globalen Wirtschaft, dass Hersteller (insbesondere aus Asien) Produkte einfach kopieren. Es gibt einige Hersteller aus Deutschland die es mit einer Produktion in China versucht haben und sich dann wieder aus dem Land zurück gezogen haben. Einfach aus dem Grund, weil ziemlich schnell Plagiate auf dem Markt auftauchten. Recht verständlich und allgemein ist das in diesem Beitrag der Seite „absatzwirtschaft“ beschrieben (lesenswert!).

Erstaunlich ist, dass Chinesen selbst überwiegend das Original kaufen und die Fälschung ignorieren. Aber wir sind in Deutschland. Das Land, in dem Geiz geil ist und in dem es Schweineschnitzel für 7,58 Euro/kg (aktuelles Angebot von Aldi Nord) gibt.

Ich möchte jetzt nicht alle Deutsche über einen Kamm scheren – aber ein großer Teil hat wohl diese Geiz ist Geil Mentalität und macht sich wenig Gedanken über die Konsequenzen seines Konsumverhaltens. Obwohl der Kreis derer, die „Deutschland den Deutschen“ schreit zunimmt, ist der Patriotismus im Kaufverhalten doch eher unterentwickelt. Eine Ausnahme scheint der Automarkt zu sein – da setzt der Deutsche dann doch noch überwiegend auf Volkswagen, BMW oder Daimler (Mercedes).

Aber zurück zum Kugelkopf. Also bestellte ich mir den Kugelkopf über Ebay vom Chinesen. Freundlicherweise hat mir Augenblicke eingefangen einen RRS BH-40 zur Ansicht zur Verfügung gestellt, um hier einen Vergleich zu ziehen.

Der Kugelkopf vom Chinesen kam nach etwa drei Wochen. Was mich wunderte ist, dass ich keinen Zoll oder Einfuhrumsatzsteuer bezahlen musste. Der Verkaufspreis bei eBay liegt bei 80 US Dollar und damit wäre eigentlich Einfuhrzoll fällig gewesen. Aber ich habe schon einige Male aus China direkt bestellt und festgestellt, dass es mal so und mal anders ist. Normal wäre laut Rechner noch eine Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ca. 14 Euro fällig gewesen. Also rechne ich das Plagiat einmal mit rund 100 Euro.
Der Kugelkopf selbst kam einfach in einem Karton. Im Karton, mit Luftpolsterfolie umwickelt, der Kopf mit Arca-Swiss kompatibler Platte.

Der Really Right Stuff BH-40 LR II mit B2 AS II Schnellwechselklemme mit Klemmhebel kam von Augenblicke eingefangen nach zwei Tagen per DHL Paket. Im Paket der eigentliche Karton von RRS und darin verpackt der Kugelkopf in einem Transportsack. Preislich ein Unterschied von etwa 430 Euro.

Was mir beim Kugelkopf aus China gleich auffiel, war die verhältnismäßig rauhe Oberfläche der Kugel. Mit etwas angedrehter Friktion ist es auch deutlich zu hören, dass der Kopf etwas „rauh“ läuft. Im Gegensatz dazu ist die Kugel beim RRS BH-40 wesentlich sauberer gearbeitet und der Kopf läuft auch mit Friktion seidenweich. Auf den Fotos unten sieht man beim Chinesen auch etwas dunkles das mir wie Fett schien. Das hat man wohl hinein geschmiert, um einen weichen Lauf der Kugel zu suggerieren. Ebenfalls auffallend ist, dass die Kugel beim RRS BH-40 mit der Verbindung zur Halteplatte aus einem Stück gefertigt ist. Beim Kopf aus China wurde offensichtlich einfach ein Loch in die Kugel gebohrt und ein Distanzstück eingesetzt. Ich vermute die Schraube, mit der die Halteplatte befestigt ist, geht bis in den Kugelkopf. Leider ist sie derart festgezogen, dass ich sie nicht gelöst bringe. Jedenfalls ist diese Konstruktion auch einfacher und damit billiger. Welche Auswirkungen diese Konstruktion hinsichtlich Schwingungen hat, kann ich nicht beurteilen.

Äußerlich sieht der Kopf aus China fast wie eine 1:1 Kopie des RRS BH-40 aus. Was sofort auffällt ist beim RRS BH-40 der große, griffige Hauptfeststellknopf. Mit einer guten halben Umdrehung ist der Kopf frei und ebenso schnell festgestellt. Der Weg ist beim Kopf aus China in etwa gleich. Aber der runde Knubbelknopf lässt sich relativ schwer halten. Insbesondere im Winter mit Handschuhen stelle ich mir das schwierig vor.

Die Panoramaplatte beim Kopf aus China läuft im Vergleich zum RRS BH-40 ziemlich schwer.

Wie gesagt kam der RRS BH-40 hier mit der B2 AS II Schnellwechselklemme. Alleine diese Klemme kostet etwa 160 Euro. Würde man also eine einfache Schraubklemme wie beim Kopf aus China einsetzen, wäre der Preisunterschied nur noch 350 Euro. Aber es wäre jetzt auch noch interessant, den Kopf aus China mal ein paar Wochen in den Regen zu stellen um zu sehen, ob er nicht irgendwo schnell Rost ansetzt.

Fazit: Das Plagiat ist nicht schlecht. Aber es ist eben auch kein großes Kunstwerk, ein Produkt wie einen Kugelkopf zu kopieren. Ich möchte die Asiaten nicht grundsätzlich schlecht reden. Es gibt tolle Produkte aus Asien wie z.B. die Blitzgeräte von Godox – aber da steckt auch eine eigene Entwicklung dahinter und nicht nur Copy & Paste.

Beim Copy & Paste wie in diesem Fall ist es eben oft so, dass das Plagiat „fast“ so gut ist, wie das Original, aber eben nicht ganz. Darüber hinaus sollten wir uns als Verbraucher doch etwas Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen es hat, einfach das Plagiat zu kaufen.

Jeder schreit, meckert, motzt, wenn Arbeitsplätze hier gestrichen gestrichen werden. Aber genau das ist oft der Grund. Der Chinese, der einfach kopiert, investiert keinen Euro in die Entwicklung des Produkts. Die Arbeiter, die das Produkt fertigen, erhalten einen Bruchteil des Lohnes, den ein Maschinenführer in Deutschland erhält. Sich eine CNC Maschine zu kaufen und so ein Plagiat zu fertigen ist keine Kunst. Aber wir als Verbraucher entscheiden auch, ob wir eine solche Entwicklung fördern oder nicht.

Der RRS BH-40 kommt in einen schönen Beutel den man auch als Schutz verwenden kann, wenn der Kopf auf dem Stativ montiert ist.
Deutlich erkennbar: Während der RRS BH-40 bis zur Wechselplatte aus einem Stück gearbeitet ist, hat der China Kopf einfach ein Distanzstück aus Kunststoff – wer weiß, wie lange das hält.
Irritiert hat mich auch das schwarze Zeug auf dem China Kopf (links). Sieht aus, als wurde ein Fett aufgebracht.
Auf dem ersten Blick fast eine 1:1 Kopie…

 

8 Gedanken zu „Plagiat – made in China“

  1. Leider ist es ja oft so, dass man sich nicht alles leisten kann (oder will). Nen Kugelkopf für mehrere hundert Euro kann ich als Hobbyfotograf für mich nicht rechtfertigen. Aber man muss kein Genie sein um zu wissen, dass die Plagiate nie so gut sind wie die Originale. Dennoch vermeide ich es auch, Plagiate zu kaufen, sofern mir diese überhaupt als solche auffallen. Denn dazu müsste ich ja die Originale kennen. Ich behaupte mal, dass das auf ganz viele ebenso zutrifft und sie gar nicht wissen, dass sie ein Plagiat kaufen und nicht „nur“ ein Chinamodell von was auch immer.

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    • Das verstehe ich vollkommen. Der RSS ist ja auch ein Kopf, der eher Profis oder Semi-Profis anspricht. Es gibt auch so etwas wie „Plagiat“ und „Plagiat“ – also die guten und die schlechten. Dieses Plagiat ordne ich eher den schlechten zu.
      Es muss ja auch nicht immer neu sein. Vieles habe ich gebraucht gekauft (ein Stativ, Kugelkopf, Objektive u.a.)

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    • Ich behaupte an dieser Stelle mal, dass man als Profi auch sehr gut rechnen muss. Denn im Gegensatz zum Hobbyfotografen muss das Geld fürs Material ja nachher auch durch das Fotografieren wieder rein kommen! 😀

      Viele Grüße
      Benny von Heimatfotos.de

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      • Selbst als Amateur habe ich gelernt gut zu rechnen. Denn meine Erfahrung ist, wer billig kauft, kauft oft doppelt. Und das rechnet sich dann für den Amateur genauso wenig wie für den Profi 😉

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  2. RRS ist aber eine amerikanische Firma – sichert also auch keinen einzigen Arbeitsplatz. Zudem haben die RRS Köpfe den grossen Nachteil, dass man wegen der Fräsung nur Klemmen von RRS kaufen kann, die schlichtweg überteuert sind. Und manchmal braucht man auch Klemmen die RRS z.B. nicht anbietet. Zuguterletzt gibt es auch Berichte, dass der RRS Kugelkopf sich nach längerer Nutzung festsetzen kann. Dann muss man ihn in die USA zur Reperatur schicken, was so viel kostet, dass man sich hier fast nen neuen kaufen kann. In Summe ein typisches Beispiel wie die Amis mit viel Tamtam den Eindruck von Qualität erzeugen und kräftig Kasse machen.

    Ich kann nur empfehlen sich mal die Produkte von Novoflex anzusehen. Definitiv genauso hochwertig wie RRS, keine Systembindung, made in Germany und 1A Kundenservice. Gerade die Möglichkeit Beine und Basis frei zu Kombinieren ist genial!

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    • Das ist richtig, das RSS eine amerikanische Firma ist. Ich kann jetzt natürlich den Service von RSS in Deutschland nicht beurteilen, da ich keinen Kopf von RSS besitze. Es geht in diesem Blog-Beitrag auch vorrangig um die Plagiate aus China und nicht um RSS.
      Primär benütze ich selbst einen Kugelkopf von Novoflex (Classic Ball II) und ansonsten versch. Köpfe von Manfrotto (Italien).

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  3. Hallo Thomas,
    auch ich mag es nicht Plagiate zu kaufen. Ich sehe aber auch das andere Problem. Europäische Hersteller lassen Ihre Produkte zum Teil günstig in China oder sonstwo nach ihren Spezifikationen fertigen, verkaufen die Produkte aber zum Preis wie hier gefertigt, gleichzeitig suchen sie günstigere Hersteller um noch etwas zu sparen. Was passiert, der Hersteller geht dann mit dem Produkt mit einer Namensänderung in den Markt und weiß da er nur eine Chance hat, wenn er billig ist. (das ist leider freie Marktwirtschaft und Kapitalismus)
    Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, das man auch in Asien qualitativ hochwertige Produkte bekommt die deutlich günstiger sind wie hier hergestellte Produkte.

    Es ist jedoch in China so, das das kopieren eines Produktes auch eine Ehre ist, weil man von der Denkweise her ja kein schlechtes Produkt kopiert.

    Drum Augen auf wer zu billig kauft kauft oft doppelt und hat somit nichts gespart.

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    • Hallo Karsten,
      da bin ich ziemlich bei Dir. Das eine Problem: Hersteller lassen in China produzieren und sind dann über auftretende Plagiate verärgert. Das Thema ist nicht neu sondern schon sicher fast 20 Jahre bekannt. Es gibt auch einige deutsche Hersteller, die genau aus diesem Grund ihre Produktion aus China wieder abgezogen haben.
      Punkt 2: Es gibt einige Produkte, da sind wir in Europa inzwischen meilenweit hinterher weil man die Produktion Asien überlassen hat. Beispiel Handys. Wir wären überhaupt nicht mehr in der Lage, hier technologisch mitzuhalten.
      Letzter Punkt: Das sage ich auch immer wieder: Wer billig kauft, kauft oft doppelt…

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