Grau ist alle Theorie – das betrifft auch Graufilter. Denn nicht immer sind sie so grau, wie man es gerne hätte. Doch dazu später mehr.
Im ersten Teil zum Thema Filter in der Fotografie habe ich über den Polfilter geschrieben. Hier schreibe ich zum Graufilter.
Wofür benötigt man Graufilter?
Manchmal kommt man in Situationen, in denen man die Belichtungszeit der Aufnahme verlängern möchte. Oft, um spezielle Bildeffekte zu erzielen wie z.B. weich fliessendes Wasser an Wasserfällen oder Wildbächen. Oder die Wiedergabe der am Himmel ziehender Wolken.
Natürlich kann man auch die Blende schließen, oder den ISO Wert (die Empfindlichkeit) so niedrig als möglich wählen. Doch zum einen bewirkt eine sehr stark geschlossene Blende eine Verschlechterung der Abbildungsquaität (Schärfe) und zum anderen wird dies in solchen Situationen oft nicht reichen, um die Belichtungszeit ausreichend zu verlängern.
Für diesen Zweck gibt es die Graufilter. Diese „schlucken“ Licht und verlängern dadurch die Belichtungszeit.
Grundsätzlich gibt es hier zwei verschiedene Systeme:
- Schraubfilter (z.B. B+W, Hoya, Haida, u.a.)
- Einsteckfilter (z.B. von Lee, Hitech, Cokin, Haida)
Schraubfilter, sind wie der Name sagt, zum Aufschrauben auf das Objektiv. Graufilter werden in unterschiedlichen Dichtestufen angeboten. Leider bezeichnen die Hersteller die Filter recht unterschiedlich bezügl. der Dichtestufen. In der Beschreibung ist aber immer angegeben, um wieviel der Filter die Belichtungszeit verlängert.
Dichte (ND) | Filterfaktor | Blendenstufen | Filterbezeichnung (Hersteller) | |
---|---|---|---|---|
B+W | Haida | |||
0.3 | 2 | -1 | 101 | ND 0.3 |
0.6 | 4 | -2 | 102 | ND 0.6 |
0.9 | 8 | -3 | ND 0.9 | |
1.2 | 16 | -4 | ||
1.5 | 32 | -5 | ||
1.8 | 64 | -6 | 106 | ND 1.8 |
2.1 | 128 | -7 | ||
2.4 | 256 | -8 | ||
2.7 | 512 | -9 | ND 2.7 | |
3.0 | 1000 | -10 | 110 | ND 3.0 |
Hoya wiederum verwendet den Filterfaktor in seinen Bezeichnungen. Beginner tun sich nun schwer, in der Bedeutung bzw. in der Umrechnung. Betrachten wir dies am Beispiel eines Filters der Dichte ND 1.8 (Filterfaktor 64). Dieser „schluckt“ sechs Blendenstufen. Oder anders ausgedrückt (mit dem Filterfaktor): Die Belichtungszeit muss 64 mal so lange sein als ohne Filter, um die gleiche Lichtmenge auf den Sensor (oder Film) zu bekommen.
Hätten wir also ohne Filter eine Belichtungszeit von 1 Sek. dann müssten wir 64 Sekunden mit einem ND 1.8 Filter belichten, um die gleiche Menge Licht auf den Sensor zu bekommen wie ohne Filter.
Wie man sieht, gibt es in der Tabelle Lücken. Nicht für alle Dichtestufen bieten die Hersteller Graufilter an. Ggf. hilft ein Blick zu einem anderen Hersteller, der dafür vielleicht wieder andere Lücken im Programm hat. In der Regel kann man aber mit zwei bis drei Filtern alle Situationen abdecken (z.B. 0.9, 1.8 und 3.0).
Nun zur grauen Theorie: Ein idealer Graufilter „schluckt“ nur Licht. D.h. er hat keinen weiteren Einfluss auf das Bild. Leider sind nicht alle Filter ganz farbneutral. Das macht auch etwas den Preisunterschied aus. Deshalb sollte man in RAW fotografieren, damit man später ggf. den Weißabgleich korrigieren kann.
Darüber hinaus vergüten manche Hersteller die Oberfläche, um Reflektionen, die z.B. zwischen Frontlinse und Filter enstehen könnten, zu vermeiden.
Die Umrechnung
Bei einem Filter mit Dichte 0.9 wird man noch mit aufgeschraubten Filter die Belichtungszeit wie gewohnt messen können. Spätestens bei einem Filter mit Dicht 3.0 wird das schwierig. Die meisten Kameras erlauben im Automatikmodus (Programmautomatik, Zeit- oder Blendenautomatik) eine Belichtungszeit von max. 30 sek. Für ziehende Wolken wird man aber ein bis drei Minuten belichten müssen. D.h. spätestens hier versagt der Belichtungsmesser bzw. die Rechenhilfe der Kamera. Also muss man zuerst ohne Filter die Belichtungszeit messen, umrechnen und die errechnete Belichtungszeit im Modus M auswählen. Natürlich bei gleichbleibender Blende und Empfindlichkeit (ISO). Und natürlich den Filter vor der Aufnahme draufschrauben. Wenn Blende, ISO, Belichtungszeit eingestellt sind und der Graufilter aufgeschraubt ist, sollte man auch den Autofokus ausschalten. Denn der hat ggf. Schwierigkeiten bei einem dunklen Filter überhaupt noch einen Fokuspunkt zu finden.
Gerade das Umrechnen der Belichtungszeit bzw. Blende bereitet Beginnern häufig Schwierigkeiten. Hierzu habe ich zwei Tipps: Die Schraubfilter kommen in einer Kunststoffbox. Einfach zu Hause die gewöhnlichen Belichtungszeiten ausrechnen, eine kleine Tabelle am PC machen, ausdrucken und auf die Box kleben. Weicht der Wert etwas ab, kann man das dann sicher über etwas Kopfrechnen überschlagen (verdoppeln, halbieren).
Für das Smartphone gibt es auch einige kostenlose Apps. Einfach mal durchprobieren. Ich selbst verwende ND Calc von Brian Dorey – die findet man bei Google Play. Auf der linken Seite wählt man den Filter, den man verwenden möchte, also z.B. ND 1.2. Auf der rechten Seite wählt man die Belichtungszeit, die man ohne Filter misst. Oben wird nun groß die einzustellende Belichtungszeit mit Filter angezeigt.
Besondere Graufilter
Neben den Schraubfiltern in unterschiedlichen Dichten gibt es noch sogenannte Vario-Graufilter als Schraubfilter. Je nach Drehung des Filters, wird unterschiedlich viel Licht durchgelassen. Häufig wird dieser (leider) Beginnern im Fotogeschäft als günstiger Einstieg verkauft. Diese taugen allenfalls zum filmen – für Fotografen sind sie eher ungeeignet da, wie oben beschrieben, bei ganz langer Belichtungszeit die Belichtungsmessung der Kamera versagt und gerechnet werden muss. Das geht mit dem Variofilter jedoch nur sehr umständlich bis überhaupt nicht. Dann ist raten angesagt.
Für Video-Aufnahmen werden die Vario-Graufilter gerne verwendet. Beim Filmen möchte man in einer Aufnahme gerne eine konstante Blende (und damit Tiefenschärfe) haben. Mit dem Vario-Graufilter kann der Videograf bei wechselnden Lichtverhältnissen schnell die einfallende Lichtmenge anpassen.
Wozu man den Graufilter auch benötigen kann
Vor kurzem kam ich in die Situation, dass ich eine Aufnahme mit Offenblende und (Studio-) Blitz machen wollte. Den Studioblitz hatte ich schon auf die kleinste Leistungsstufe herunter geregelt. Weiter weg stellen konnte ich ihn nicht, wegen des beengten Raumes – außerdem wäre es eine andere Lichtwirkung gewesen. Mit der Blitzsynchronisationszeit bin ich auf 1/160 sec. (über Funkauslöser) eingeschränkt – kürzer geht nicht (außer über HSS). Kurz überlegt und an die Fototasche gegangen… Graufilter drauf geschraubt und das Problem war gelöst.
Also immer dann, wenn für die gewünschte Belichtungszeit und Blende zu viel Licht auf den Sensor kommt, ist der Graufilter das richtige Helferlein.
Clever sparen
Wie beim Polfilter empfehle ich bei Graufiltern den (die) Filter nach dem größten Objektivdurchmesser zu kaufen. Auch wenn ihr jetzt noch kein Ultraweitwinkel habt – vielleicht steht es auf der Wunschliste. Wäre schade, wenn ihr da die angeschafften Filter wieder neu kaufen müsstet. Am APS-C wird das wohl häufig 77mm sein. Am Vollformat eher 82mm. Mit Step-Up-Ringen, die unter 10 Euro kosten, adaptiert man dann ggf. den Filter auf kleinere Objektivdurchmesser. Dieses bei Amazon geht z.B. bis 77mm Filterdurchmesser.
Steckfilter
Anders als die Schraubfilter, die aufgeschraubt werden, werden Steckfilter in einen speziellen Filterhalter gesteckt. Aufgeschraubt wird nur ein Adapterring, der den Filterhalter aufnimmt. In der Regel sind die Steckfilter viereckig (ND Filter quadratisch, Grauverlaufsfilter rechteckig). Systeme dieser Art gibt es von verschiedenen Herstellern wie z.B. Cokin, Lee oder Hitech oder Haida.
Trotzdem dieses System auf den ersten Blick recht einheitlich aussieht, gibt es hier auch unterschiedliche Größen. Von Cokin z.B. gibt es die P-Serie, bei der die Filter dann 82mm breit sind. Oder die Z-Pro Serie, bei der die Filter 100mm breit sind. Von Lee gibt es das Seven5 System, bei dem die Filter 75mm breit sind. Oder das 100mm System und das SW-150 System (150mm breit).
Das am meisten verbreitete System ist das 100mm System. Es passt für die gängigen DSLR-Kameras auch mit Weitwinkel-Objektiv. Das Lee Seven5 System ist z.B. für Systemkameras wie die Olympus OM-D gedacht. Das SW-150 System von Lee ist speziell für das Nikon 14-24mm Objektiv entworfen.
Auch wenn man sich für das 100mm System entscheidet, muss man sich für einen Filterhalter entscheiden. Ob Cokin Z-Pro, Lee oder Hitech – die Filter selbst sind in der Regel austauschbar. Ich selbst kann kann den Lee Filterhalter in Kombination mit dem Wide-Angle-Adapter bedenkenlos empfehlen. Er ist sehr gut verarbeitet und einfach zu handhaben. Mit ihm verwende ich z.B. Filter von Lee, Hitech, Cokin oder Lensinghouse. Es ist natürlich in Summe eine Investistion… 200 – 400 Euro sind da gleich ausgegeben. Lee und Hitech Filter bezieht man übrigens etwas günstiger direkt aus UK.
Für die Aufbewahrung der Steckfilter verwende ich übrigens die Lee Filter Pouch die sich hervorragend bewährt hat. Da passt sogar der Halter hinein.
Welche Filter für den Anfang
Bei den Schraubfiltern gibt es ein nettes Set von Haida bestehend aus drei Graufiltern (ND8, ND64, ND1000). Kostenpunkt ca. 100 Euro. Wer gleich ganz hochwertig einsteigen möchte, kann sich die B+W Filter von Schneider Kreuznach ansehen.
Falls man sich für das Steckfiltersystem entscheidet, hat man mit zwei ND Filtern (z.B. 1.8 und 3.0) und zwei Grad Filtern (z.B. 0.6 und 0.9) einen guten Start.
Wie bei den Schraubfiltern unterscheiden sich die Steckfilter hinsichtlich der Qualität. Vor allem die Farbverschiebung kann ärgern. Nicht immer lässt sich diese vollständig durch einen manuellen Weißabgleich bei der Entwicklung korrigieren. Cokin und Format Hitech z.B. haben solche starken Farbverschiebungen. Bei den ND Filtern kann ich, auf Grund eines Vergleichtests eines Bekannten, die Haida Filter empfehlen. Sie sind relativ günstig, aus optischem Glas gefertigt und recht farbneutral.
Bei den Grad Filtern (Verlaufsfilter) kommt man langfristig nicht an Lee vorbei. Die günstigsten Verlaufsfilter erhält man von Cokin. Nach versch. Quellen zu urteilen, aber mit dem Preis der stärksten Farbverschiebung. Preislich und qualitativ liegt Format Hitech in der Mitte.
Dazu passend mein Vergleich der Verlaufsfilter von Format Hitech und Lee.
Wozu Verlaufsfilter?
Auf dem Bild oben habe ich einen Verlaufsfilter gezeigt. Diese sind nur zur Hälfte Grau eingefärbt und rechteckig. Rechteckig, damit man diese auf den Horizont ausrichten kann. In einigen Lichtsituation ist der Dynamikumfang (Differenz zwischen dem hellsten und dunkelsten Bereich im Bild) so hoch, dass dies nicht in einer Aufnahme abgeblidet werden kann. Dunkle Bereiche sind entweder vollkommen unterbelichtet oder helle Bereiche ziemlich überbelichtet. Besonders trifft dies bei Aufnahmen mit dem Himmel und ganz extrem bei Sonnenauf- oder untergang zu. Manch einer behilft sich mit HDR-Aufnahmen oder einer Belichtungsreihe. Mit Grauverlaufsfiltern kann man solche extremen Lichtsituation auch mit einer Einzelaufnahme meistern. Die extreme Lichtsituation auf den Lofoten löste ich z.B. mit eine 0.9 Reverse Grad Filter.
Bei den Verlaufsfiltern gibt es Hard Edge und Soft Edge – also mit hartem Übergang oder weichem Übergang. Weiche Übergänge wählt man, wenn der Übergang zum Horizont sehr unruhig ist z.B. durch Bäume oder Häuser. Wenn der Horizont relativ klar abgegrenzt ist, verwendet man besser den Hard Edge.
Man könnte über das Thema noch vieles schreiben, doch als erster Überblick sollte dies ausreichen. Mit einem Schraubfilter als Einstieg macht man keinen Fehler. Sollte man an diesem Thema Gefallen finden, kann man ja weitere Investitionen planen…
Ich werde dann noch einmal speziell einen Blog zum Thema Grauverlaufsfilter machen, den ich vielleicht mit einem Video ergänze. Einstweilen finden sich noch weitere Informationen zu diesem Thema in einem meiner älteren Blogeinträge.