Die Tage nahm ich wieder einmal an einer Diskussion in einer Facebook-Gruppe teil. Die eigentliche Frage war nach Tipps für Party-Fotografie. Neben der Frage welche Brennweite geeignet ist, ist oft die Frage danach, wie geblitzt wird.
In meinem vierteiligen Beitrag „Canon Blitzbelichtungsmessung verstehen“ habe ich schon zahlreiche Tipps untergebracht. Insbesondere für Party-Fotos ist es wichtig, im manuellen Modus zu fotografieren. Weshalb? Bei Event- und Partyfotos ist es in der Regel gewünscht, dass auch etwas die Umgebung mit einbezogen wird. Insbesondere Lichter (Wand, Decke, DJ) können noch effektvoll für die Bildgestaltung genützt werden. Im Automatikmodus (Programm-, Zeit- oder Blendenautomatik) ist es nicht einfach die Einstellungen so zu steuern, dass das Umgebungslicht dosiert einbezogen wird. Daher wird hier der manuelle Modus bevorzugt.
Für die Steuerung, wieviel Licht auf den Sensor kommt, kennen wir die Parameter, Blende, Belichtungszeit und ISO. Diese Stellschrauben beziehen sich jetzt vor allem auf das Umgebungslicht. Gerade wenn man noch Lichteffekt in das Bild einbeziehen möchte z.B. durch drehen des Zoom-Rings oder drehen der Kamera während der Aufnahme, muss dazu die Belichtungszeit verlängert werden. Eine Belichtungszeit von 1/10 sec. bis 1/2 sec. ist dann nicht ungewöhnlich.
Man kann sich darauf verlassen – aus irgendeiner Ecke kommt dann wieder der ominöse Tipp „blitzen auf den zweiten Vorhang“. Was bedeutet das überhaupt?
Ich hole dazu noch einmal das Bild aus dem oben genannten Blog-Beitrag hervor. DSLR- und DSLM-Kameras haben einen sogenannten Schlitzverschluss. Dieser besteht aus zwei Vorhängen. Während der eine von links nach rechts bzw. von oben nach unten oder unten nach oben geht, rückt der zweite Vorhang entsprechend der Belichtungszeit nach.
Wenn wir mit Blitz fotografieren müssen wir verstehen, dass wir eine Aufnahme mit „zwei Belichtungen“ machen. Zum einen erhalten wir eine Belichtung durch das Umgebungslicht und zum anderen eine Belichtung durch das Blitzlicht. Der Blitz hat eine extrem kurze Abrennzeit. Und Aufsteckblitze haben dazu noch die Eigenschaft, dass die Blitzleistung durch Verkürzen bzw. Verlängern der Abrennzeit gesteuert wird. Wenn wir also z.B. die Blitzleistung auf 1/8 eingestellt haben, wird die Abbrenndauer etwa nur 1/2000 sec. betragen.
Bei kurzen Belichtungszeiten von 1/25 sec. oder weniger wird es kaum eine Rolle spielen, ober der Blitz nun zum Anfang der eigentlichen Belichtung zündet oder zum Ende. Ganz anders sieht es aus, wenn wir mit längeren Belichtungszeiten fotografieren – z.B. 1/2 sec. Da macht es einen großen Unterschied, ob der Blitz nun zu Anfang der Belichtung (wenn sich der erste Vorhang öffnet) oder zum Ende der Belichtung zündet (wenn der zweite Vorhang den Verschluss schliesst).
Als Beispiel möchten wir ein fahrendes Auto in der (fast) Dunkelheit fotografieren, haben die Kamera auf einem Stativ und eine Belichtungszeit von 5 sec. gewählt. Damit fangen wir die Scheinwerfer des Fahrzeugs als Streifen ein. Das Auto fährt von links hinten nach rechts vorne. Wenn der Blitz nun zum Anfang der Belichtung ausgelöst wird, haben wir links hinten das scharf abgebildete Auto (aufgrund der kurzen Abbrenndauer des Blitzes) und nach rechts vorne eilen Lichtspuren dem Fahrzeug voraus. Das sieht dann zugegeben komisch aus.
Also stellen wir uns das gleiche Bild vor nur mit dem Blitz auf dem zweiten Vorhang – also zum Ende der Belichtung. Jetzt wird das Auto scharf rechts vorne abgebildet und die Lichtstreifen gehen von links hinten nach rechts vorne bis zum scharf abgebildeten Auto. Das sieht wesentlich natürlicher aus.
Party-/Eventfotografie
Bei der Party-Eventfotografie verhalten sich die Dinge etwas anders. Dazu schauen wir den Ablauf der Belichtung einmal genau an:
1. Wir drücken den Auslöser halb durch, um zu fokusieren
2. Wir drücken den Auslöser ganz durch
3. Der erste Verschlussvorhang öffnet sich
4. Der Aufsteckblitz sendet einen Vorblitz, um die Blitzbelichtung zu messen (TTL)
5. Der Blitz löst aus (wenn wir auf den ersten Vorhang blitzen)
6. Der zweite Vorhang schliesst den Verschluss
Punkt 3 und 4 finden fast zeitgleich statt. Aber wenn wir den Blitz im TTL-Modus haben, muss ein schwächerer Messblitz vorab erfolgen, damit der Blitz seine Leistung entsprechend regulieren kann. Falls wir jetzt auch noch mit einer etwas längeren Belichtungszeit fotografieren, ergeben sich dadurch folgende Probleme, wenn wir auf den zweiten Vorhang blitzen:
1. Wenn sich das Hauptmotiv bewegt (tanzt) dann wird es bei der Blitz-Belichtung nicht mehr genau in dem Fokus-Bereich sein, den wir fokussiert haben
2. Wenn sich die Person stark bewegt (tanzt) ist sie vielleicht sogar überhaupt nicht mehr auf dem Bild, zu dem Zeitpunkt wo der Blitz auslöst
3. Durch den Vorblitz haben wir die Person sehr wahrscheinlich animiert die Augen zu schließen. Die Augen machen das nämlich reflexartig. Mit der etwas längeren Belichtungszeit von 1/4 sec. haben wir mit großer Wahrscheinlichkeit genau den Moment erwischt, in dem die Augen geschlossen.
Deshalb ist dieser Tipp „Blitzen auf zweiten Vorhang“ zumindest bei Party-/Eventfotografie ziemlicher Nonsens.