Die Tage bin ich über einige Fotos eines Bekannten gestolpert. Er hatte einen Wasserfall in Österreich besucht. Ein sehr schöner Wasserfall. Ein Satz, unter einem seiner Bilder, hat mich dann doch etwas nachdenklich gestimmt – „die 4 Stunden Fahrt haben sich wirklich gelohnt“….
Vor etwa 20 Jahren war ich über mehrere Jahre Leiter der Ortsgruppe Singen des Deutschen Alpenvereins. „Ups, wie kommt der dazu?“.
Ich hatte mit 16 Jahren das Klettern als Leidenschaft entdeckt. Lange Jahre war ich mit der Jugendgruppe des DAV (Sektion Konstanz) unterwegs und leitete dann später selbst die Jugendgruppe. Wie die Jungfrau zum Kind (ich hatte mich zu spät gebückt, bei der Frage eines Nachfolgers für die Ortgruppe) wurde ich Ortsgruppenleiter. U.a. gehört es zu den Aufgaben eines Vorstands (oder Ortsgruppenleiters) für ein attraktives Tourenprogramm zu sorgen. Sicher, da hat der Vorstand den Tourenwart als Helfer bzw. eine Person, an die er viel deligieren kann.
Im Herbst trifft sich dann die Vorstandschaft, um das kommende Tourenprogramm zu besprechen. Dabei geht es u.a. darum, die Qualifikation zu prüfen (ist die Person, die diese Tour anbietet, entsprechend dafür qualifiziert), gibt es Konflikte mit anderen Angeboten oder allgemeinen Terminen, passt die Tour zu einem öffentlichen Angebot oder ist dies eher eine Privat-Veranstaltung. Das sind die wesentlichen Fragen.
Der Umwelt-Gedanke
Schon damals, vor 20 Jahren(!), entwickelten wir (vor allem auf meine Initiative) einen Umwelt-Gedanken. Klar, es werden bei solchen Touren Fahrgemeinschaften gebildet, um die Belastung der Umwelt möglichst zu minimieren. Der Deutsche Alpenverein ist ja auch ein Verein, der der Natur sehr verbunden ist. Der DAV wehrt sich gegen den Bau von Seilbahnen und Skiliften und der Zerstörung des alpinen Raums im Allgemeinen. Im gewissen Widerspruch dazu steht die Umweltbelastung durch die Unternehmungen, die mit privaten Pkw – also nicht mit öffentlichem Nahverkehr (Zug, Bus) – durchgeführt werden.
Der Natur-Fotograf
Natur-Fotografen sind ja etwas ähnlich wie Bergsteiger, Wanderer, Skitourengeher… Sie suchen die Natur, weil sie sich an der Natur freuen. Sie lieben die Natur und naturbelassene Landschaften, sie mögen weniger Starkstrom-Leitungen, durch Menschen verschandelte Landschaften und ärgern sich über Müll in der Landschaft.
Müll ist sichtbar – Abgase sind unsichtbar
Müll ist natürlich sofort sichtbar. Eine Plastiktüte im Wasserfall stört das „Natur“-Landschaftsbild natürlich enorm und ärgert den Natur-Fotografen. Wahrscheinlich würde er das mit dem Handy noch fotografieren und sich über soziale Netzwerke über die Umweltverschmutzung auslassen. Grundsätzlich richtig.
Aber: Welchen Beitrag leisten wir als Natur-Fotografen zur Umweltverschmutzung alleine durch unser Reisen? Und da liegt der Unterschied, den jeder einzelne von uns vor allem im Kopf verarbeiten muss: Abgase sind nicht sichtbar. Aber sie sind ebenso ein wesentlicher Beitrag zur Umweltverschmutzung wie eine Plastiktüte (zumindest so lange 98% von uns mit dem Pkw mit Verbrennungsmotor unterwegs sind). Ich habe versucht, es auf die Schnelle zu recherchieren – wahrscheinlich stimmt meine Rechnung nicht genau… Aber man kann je 1 Gramm Plastiktüte (Herstellung, Transport, Entsorgung) vermutlich etwa 1 Milliliter Sprit rechnen. Bei einem Verbrauch von 5 Liter/100 Kilometer (was sehr, sehr sparsam ist), verbrauchen wir also einige Plastiktüten. Eine herkömmliche Plastiktüte wiegt etwa 20 Gramm. D.h. in dem Wasserfall, den der Bekannte besucht hatte, lagen etwa 4.000 Plastiktüten 😮
Und – hat es „klick“ gemacht?
Wie ich reise…
Ich versuche mir grundsätzlich über die Verhältnismäßigkeit Gedanken zu machen. Das ist mir aus der Zeit der Leitung der Ortsgruppe des DAV geblieben. Wir hatten damals ungefähre Regeln wie:
- Tagestour maximal 200 Kilometer
- Wochenend-Tour maximal 300 Kilometer
- Wochentour maximal 600 Kilometer
Wie gesagt – das ist das Maximum. Die Intention sollte es sein, Aufwand (Umweltbelastung) und Nutzen (Freizeit-Erlebnis) in ein möglichst gesundes Verhältnis zu stellen. Ideal wäre natürlich die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Das ist in der Natur-Fotografie sicher oft schwierig, da man zu speziellen Zeiten (Sonnenauf-/untergang) an einem bestimmten Ort sein möchte.
Falls ich solche Tagestouren unternehme, dann habe ich hier immer noch diese Grenze im Kopf. Zudem versuche ich mehrere Spots auf dem Weg zu verbinden. Ein Foto ist mir wesentlich weniger wert, als ein Gipfel. Da müssen es schon viele Fotos sein. Klar, das sich Bewegen in der Natur findet dabei auch statt. Aber es ist lange nicht so intensiv, wie wenn man sich aufmacht, über mehrere Stunden einen Gipfel zu besteigen. Oft suchen „Natur-Fotografen“ ja gerade solche Spots, wo sie aus dem Auto aussteigen, maximal fünf Minuten gehen und das Bild machen können. Was dies dann noch mit Natur-Fotografie, außer dem Motiv, zu tun hat – naja….
Sicher, ich bin auch nicht das Ideal und ich könnte sicher noch mehr zum umweltverträglichen Fotografieren beitragen. Ich möchte auch nicht der Moral-Apostel sein, der ständig mit erhobenem Zeigefinger dasteht. Aber ich denke zumindest nach und versuche wo immer möglich zu optimieren. Bei meiner Fotoreise ins Tessin achte ich auf Fahrgemeinschaften und darauf, dass die Fahrten zu den Spots mit möglichst wenig Fahrzeugen gemacht werden. Und wenn mich ein(e) Teilnehmer(in) anfragt, wie sie an die Spots für einen Workshop kommt, weil er/sie mit ÖPNV anreist, dann suche ich nach einer Lösung wie er/sie mit mir oder vielleicht mit einem anderen Teilnehmer fahren kann.
Denkt doch einmal bitte darüber nach und hinterlasst in den Kommentaren eure Meinung – ich freue mich über den Austausch.
Guten Morgen,
danke für das Teilen deiner Gedankengänge und das kritische Reflektieren deines eigenen Handelns!
Folgendes ist mir zu schwammig:
„wahrscheinlich stimmt meine Rechnung nicht genau… Aber man kann je 1 Gramm Plastiktüte (Herstellung, Transport, Entsorgung) vermutlich etwa 1 Milliliter Sprit rechnen“
Welche Daten liegen dieser Annahme zugrunde?
Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass wir bei der Verwendung unserer PKW nicht nur Kraftstoff verbrauchen, sondern auch Verschleißteile.
Dass es hinsichtlich des (Gesamt-)Ressourcenverbrauchs einen erheblichen Unterschied zwischen konventionellen und E-PKW gibt, wage ich vorsichtig anzuzweifeln.
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
hier verlinke ich einmal einen Beitrag der berechnet, wie viel Erdöl benötigt wird, um eine Plastiktüte herzustellen: https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/wie-viel-oel-steckt-in-plastiktueten/
Ich habe hier einfach versucht, den Verbrauch von Ressourcen greifbar zu machen. Ich denke die wenigsten machen sich beim Autofahren Gedanken darüber da nur „unsichtbare“ Abgase übrigbleiben. Müsste man am Ende einer Fototour 4.000 Plastiktüten entsorgen, würden sicher mehr Menschen darüber nachdenken. Aber du hast Recht, dass der Ressourcenverbrauch natürlich noch viel höher liegt, da es mit dem Sprit alleine nicht getan ist.
Ich hatte in dem Beitrag auch nichts über E-Autos oder Brennstoffzelle geschrieben. Dazu fehlt mir das Wissen, das zu vergleichen. Darum geht es auch nicht.
Es gibt Verrückte, die fliegen 1.000 Kilometer nur um die Mondfinsternis in Südafrika zu fotografieren – das als extremes Beispiel.
Was ich mit dem Beitrag sagen möchte: Sich selbst als Naturfotograf zu bezeichnen und sich gleichzeitig keine Gedanken über Umweltverschmutzung (Ressourcenverbrauch) zu machen, ist vielleicht schon etwas schizophren…
Hallo Thomas,
Ich stimme Dir zu und mache mir auch viel Gedanken darüber, wie man Landschaftsfotografie und Umweltschutz unter einen Hut bekommen kann.
Meine letzte Tour habe ich tatsächlich mit dem ÖPNV in Kombination mit dem Fahrrad gemacht. Da bekommt die Redewendung sich ein Motiv zu erarbeiten eine völlig neue Bedeutung.
Aber leider ist es so nur sehr selten möglich aus den unterschiedlichsten Gründen, allen voran meine väterlichen Verpflichtungen.
Ich versuche daher mich an einige Punkte zu halten:
Eine Autofahrt zum Motiv sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern. In wenigen Ausnahmen höchstens eine Stunde.
Wenn Ich mich mit dem Auto auf den Weg mache, sollte nicht nur ein einziges Bild entstehen.
Gelegenheiten im Sinne der Umwelt nutzen. Fahre ich z.B. meine Tochter zum Reiten, nutze ich die zwei Stunden bis zum Ende des Reitunterrichts zum Fotografieren. In der Nähe ist ein Wald und dort können auch zu Tageszeiten, in denen nicht gerade die Sonne auf oder unter geht, schöne Fotos entstehen.
Luft nach oben gibt es natürlich immer. So habe ich zum Beispiel schon öfters darüber nachgedacht von der Stadt aufs Land zu ziehen. Aber damit würde ich es nur schlimmer machen. Ich könnte dann zwar umweltfreundlich zum Motiv laufen aber ins Büro müsste ich dann täglich mit dem Auto fahren.
Schöne Grüße aus Bremen.
Fin