Alles hat ein Ende nur die Wurst….

O.k. diesen Hit aus den 80ern von Stephan Remmler kennen sicher nur die älteren – und davon auch nur die, die ab und an Fasnacht, Karneval, Fasching oder ähnlichem zumindest teilweise teilgenommen haben. Aber keine Sorge – es gibt keinen Blog-Beitrag zu den Schnulzen der 80er…

Ich habe Zeit gebraucht und auch etwas mit mir gerungen. Manchmal braucht ein Beitrag wie ein Buch (z.B. mein Buch Glücksorte am Bodensee) Zeit. Am Ende muss man selbst bereit sein, seine Gedanken und Entscheidungen publik zu machen.

Ich denke am Ende waren oder sind es doch wenige, die sich tatsächlich die Frage gestellt hatten, weshalb es in den letzten Jahren auf meinem Blog und auf meiner Facebook-Seite so ruhig geworden war. Weshalb ich nach dem offiziellen Ende der Covid-19 Pandemie keine Workshops mehr angeboten hatte, weshalb es keine neuen Blog-Beiträge gab oder auch keine neuen Fotos auf meiner Facebook-Seite. Es war ein Prozess. Jetzt, wo ich die ersten Wörter zu Sätzen zusammenfasse, weiß ich recht genau, wie ich das Ende beschreiben möchte. Aber ich suche noch etwas nach dem Anfang.

Ich musste lange Zeit darüber nachdenken, wo der Prozess genau seinen Anfang genommen hat. Aber ich glaube es zu wissen…

November 2018. Im Sommer 2018 besuchten wir aufgrund eines Films den wir gesehen hatten („A cure for wellness“) mit unseren Kindern die Burg Hohenzollern die ja nicht sehr weit von uns entfernt ist. Ich hatte dann irgendwann ein Foto gesehen, das die Burg Hohenzollern im Nebel zeigte. Unten war eine Nebeldecke und nur die Burg ragte aus diesem weißen Nebel. So ein Foto wollte ich auch versuchen und mir war auch bekannt, wo der Fotospot ist, von dem man genau diesen Blick auf die Burg Hohenzollern hat.

Das war das einzige Foto, das ich das dem Morgen machte. Naja, waren eh nicht die Bedingungen, die ich mir gewünscht hatte.

Der geplante Fototag begann schon damit ungewöhnlich, dass ich meine Frau darum gebeten hatte mich zu begleiten. Das hatte ich in der Vergangenheit eigentlich nicht gemacht. Wenn, dann planten wir gemeinsam eine Fototour. Aber das ich etwas geplant hatte und sie dann gebeten hatte mich zu begleiten, das gab es eher nicht. Ich zog oft einfach alleine los – auch einfach mitten in der Nacht wie z.B. als ich die Fotos vom bekannten Eisenbahn-Viadukt in Graubünden machte.

Das nächste Ungewöhnliche war der Morgen. Wir standen um vier oder fünf Uhr auf. Ich machte mir Rühreier. Ich mache mir eigentlich nie am Morgen Rühreier. Aber an diesem Morgen verspürte ich irgendwie eine ungewöhnliche Lust auf Rühreier und betrieb den Aufwand – Pfanne raus, Herd an, Eier raus – Rühreier machen. Die Fahrt zum Fotospost verlief normal. Der Parkplatz war gefunden, der Weg war klar.

Ich startete in einem schnellen Schritt. So schnell, dass meine Frau die Frage stellte, ob wir auf den Bus müssen und sie kaum hinterher kam. Ab halber Strecke wurde ich zunehmend langsamer. Mir war etwas schlecht und mir wurde zunehmend übler. Ich hatte das Gefühl meinen Darm entleeren zu müssen und auch nicht. Ich bat meine Frau weiter zu gehen weil ich mal „um die Ecke muss“. Sie ging weiter und ich entleerte etwas meinen Darm.

Ich ging weiter – jetzt ging es bergauf zu dem Fotospot. Etwa 100 Höhenmeter – also nicht viel. Aber es fiel mir zunehmend schwerer. Ich hatte jetzt Schmerzen im Brustbein. Meine Frau war bereits oben auf der Anhöhe und sah, wie ich mich hinauf schleppte. Es waren noch andere Fotografen an diesem Morgen dort und meine Frau rief um Hilfe, mir hinauf zu helfen. Es kamen ein oder zwei andere Fotografen die mir unter die Schulter griffen und mir halfen auf die Anhöhe zu kommen. Meine Frau fragte was los ist. Ich beschrieb die Symptome (Übelkeit, Schmerzen im Brustbein). Ich ruhte mich kurz aus, ging an die Kante und wollte das Stativ aufbauen. Aber mir ging es zunehmend schlechter. Meine Frau tat das einzige richtige in dem Moment: Sie rief die 112 und beschrieb die Situation. Nach etwa 10 Minuten waren Krankenwagen und Notarzt da – ich hatte mich inzwischen auf eine Bank gelegen. Ich hatte Schweißausbrüche.

Im Krankenwagen wurde gleich ein EKG gemacht und es war recht schnell klar, was das Problem war: Ich hatte einen Herzinfarkt. Buff. Mir selbst war in dem Moment alles egal. Ich war halb da und halb weg. Mit Blaulicht und Tatü-Tata ging es dann in die Klinik nach Albstadt die (zum Glück) nicht weit entfernt war und Herzspezialisten hatte. Etwa 30 Minuten nachdem meine Frau die 112 gewählt hatte, lag ich im OP bei Bewusstsein und es wurde mir ein Stent gesetzt (ein spannendes Erlebnis das man aber nicht selbst erlebt haben muss).

Dann gab es später noch Komplikationen mit Einblutungen im Genitalbereich (der Stent wurde im Bereich der Leiste über eine der Hauptschlagadern eingeführt). Damit verbunden der Überlegung, ob ich kurzfristig noch in ein anderes Krankenhaus verlegt werden muss. Aber das erwies sich dann zum Glück nicht als so dramatisch.

Danach ging es mir erst einmal wieder richtig gut. Der Körper funktionierte so weit wieder. Im Anschluss gab es das Programm- erst einmal AU und dann sechs Wochen Reha. Die Reha konnte ich zum Glück ortsnah am Bodensee (in Radolfzell) machen so das ich zumindest die Wochenenden zu Hause schlafen konnte.

Nach der Reha hieß es erst einmal kürzer treten. Ich fotografierte nur noch wenige, kleine Hochzeiten die schon vereinbart waren. Das eine oder andere übernahm meine Frau. Alle weiteren Anfragen wurden erst einmal abgelehnt. Hier, auf natur-photocamp, plante ich keine weiteren Workshops. In 2019 lies ich es mit angezogener Handbremse wieder etwas angehen. Mehr Fotoaufträge und auch hier ein klein wenig mehr Aktivität. Ich hatte auch schon wieder Workshops für Frühjahr 2020 geplant und einige Anmeldungen dafür.

Covid-19 Pandemie

Dann kam der Knaller – im Dezember 2019 / Januar 2020 verbreiteten sich rasch die Meldungen zu einem neuen Virus, der relativ tödlich sein sollte  – mittlerweile allgemein bekannt als Corona. Im Frühjahr 2020 starb mein ehemaliger Schwager im Alter von Anfang 60 am Coronavirus (und nein, an die Corona-Leugner, er starb nicht „mit“ dem Virus).

Für mich und alle andere Unternehmen die direkt mit ihren Kunden arbeiten war erst einmal alles abgesagt. Keine Hochzeiten, keine Workshops, keine Aufträge in unserem kleinen Fotostudio – nichts, niente, nada. Über den Sommer 2020 entspannte sich dann zwar die Lage etwas zog dann aber etwa auf das gleiche Niveau im Winter 2020/2021 an. Eine Planung von Workshops war so unmöglich. Erst 2022 entspannte sich dann langsam die Situation rund um Corona etwa so das man in eine Planung hätte gehen können.

Arbeit

Dann kam der nächste Knaller… Das Fotografie-Gewerbe betrieb ich immer nur nebenberuflich. Auch wenn der Umsatz sich in einem hohen fünfstelligen Bereich bewegt – hätte ich davon nie das Leben finanzieren können. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich das Gewerbe zu 100% betrieben hätte, aber ich hatte weder den Mut noch die Reserven, um diesen Schritt zu wagen. Was ich gemacht hatte – ich hatte meinen Job als SAP-Berater (zu der Zeit bei einem Maschinenbauer) auf 80% (4-Tage-Woche) reduziert. So hatte ich Freitag und Samstag (und bei meinem Workshops auch Sonntag) Zeit, für mein Fotografie-Gewerbe zu arbeiten. Auch bedingt durch die Covid-19 Pandemie war das Unternehmen in Schieflage geraten und musste über 150 Mitarbeiter entlassen. Ich gehörte zwar nicht zu dieser Welle an Entlassungen, aber es gab mir schwer zu denken. Als SAP-Berater hat man natürlich einen tieferen Einblick in die Kennzahlen eines Unternehmens und kann seine eigenen Erkenntnisse daraus ziehen. Mir war klar, dass die Entlassung von 150 Mitarbeitern nicht die grundsätzlichen Probleme des Unternehmens lösen wird. Deshalb suchte ich bald nach einem neuen Arbeitgeber und fand recht schnell eine gute Stelle, wesentlich besser bezahlt, in unmittelbarer Nähe meines Wohnorts. Klar war, dass ich damit erst einmal wieder 100% als SAP-Berater arbeiten musste.

Ukraine

Am 21.02.2022 kam dann der nächste Schock. Russland greift die Ukraine an. Was das mit Fotografie zu tun hat? Zunächst erst einmal nichts. Doch recht schnell wurde beschlossen, dass kein Gas mehr aus Russland bezogen werden soll. Gleichzeitig waren die Gasspeicher in Deutschland nur zu gut 50% gefüllt. Das führte zu einem sprunghaften Anstieg der Gaspreise in Deutschland (mehr als plus 50%). Etwa zeitgleich meinte unsere Vermieterin  das es doch ein guter Zeitpunkt wäre, die Miete um etwa 15% anzuheben. Gesetzlich erlaubt, gerade noch innerhalb des Mietspiegels. In Summe bedeutete das für uns Mehrkosten monatlich in Höhe von etwa 600 bis 700 Euro.

Nach der Covid-19 Pandemie spülten die Einnahmen aus dem Fotostudio, welches wir im Dachgeschoss unsere Hauses eingerichtet hatten, nicht annähernd diese Mehrkosten ein. D.h. Summa Summarum – die ganze Selbständigkeit rechnete sich nicht mehr. Sie war nun seit drei Jahren eine Idee, bei der wir Geld drauf legten. Zum Schluss etwa 1000 Euro monatlich. Über meinen primären Job als SAP-Berater war das noch finanzierbar, aber Sinn machte es keinen. Deshalb war es Zeit, die Reißleine zu ziehen.

Auch unter dem Hintergrund meines Herzinfarktes kamen wir zu dem Schluss, das Fotografie-Gewerbe komplett aufzugeben. Sicher hätte ich auch die Entscheidung treffen können, mit den gewerblichen Aktivitäten rund um Natur-Photocamp (Workshops, e-Books, Presets etc.) weiter machen zu können. Wenn man ein Gewerbe betreibt, gibt es verschiedene Fixkosten, die sich nicht vermeiden lassen. Dazu gehören Beiträge zur Handwerkskammer, Versicherung über die Berufsgenossenschaft, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Betriebshaftpflichtversicherung, ggf. Gewerbesteuer u.a. Da ist man recht schnell auf Fixkosten von etwa 200 Euro monatlich. Alleine mit dem, was ich über Natur-Photocamp generiert habe, wäre das annähernd eine Null-Rechnung. Das rechnete sich nur mit dem Fotostudio bzw. den Aktivitäten, die ich/wir als Fotografen generiert hatten.

Deshalb entstand 2022 der Entschluss, das Haus und damit das Fotostudio aufzugeben und das Gewerbe abzumelden. Wir fanden dann auch ein kleines, schnuckeliges Häuschen wieder nah am Bodensee. Gerade groß genug, das es für uns beide reicht. Zum 31.12.2022 wurde dann das Gewerbe abgemeldet. Das wird ein eigener Blog-Beitrag für all die, die sich mit dem Thema „Geld verdienen mit der Fotografie“ beschäftigen.

Den Sommer genießen auf dem Bodensee…

Zum Ende: Aus diesem Grund gibt es hier keinen Shop mehr, wo sich meine e-Books und Presets fanden. Und auch der Bereich „Workshops“ wird demnächst verschwinden. Das bedeutet aber nicht, dass alles hier endet. Ich werde diese Seite und diesen Blog weiter nützen wie auch die dazu gehörende Facebook-Seite. Die Tage habe ich nach etwas mehr als einem Jahr meinen Fotodrucker reaktiviert und einige Bilder ausgedruckt. Vielleicht brauche ich noch ein klein wenig Zeit, um wieder die Motivation zu finden, los zu ziehen. Aber ich glaube das es passieren wird. Einstweilen genieße ich noch andere Dinge des Lebens wie das Grillen in meiner selbst gebauten Grillhütte, das Kochen und Essen und vor allem das Segeln auf dem Bodensee….

Ich überlege gerade noch, ob ich das eine oder andere über Paypal-Spenden bereitstelle. Doch ich muss dazu auch sagen: Ganz am Anfang hatte ich das hier versucht. Und das Resultat war wirklich ernüchternd. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich damals (über einen Zeitraum von etwa einem Jahr) etwa 10 Euro über Paypal Spenden erhalten hatte. Gleichzeitig bedienten sich viele an den „kostenlosen“ Downloads. Mein Glaube an eine faire Gesellschaft ist seitdem massiv gesunken…

Last but not least – die Seite natur-photocamp.de wie auch die dazugehörende Facebook-Seite wird es weiter geben. Den Newsletter werde ich nicht mehr wiederbeleben. Wie oben geschrieben werde ich keine Workshops mehr durchführen und auch keine kommerziellen Angebote bereitstellen.

Es war eine tolle Zeit. Ich denke gerne zurück an die Workshops, die ich durchgeführt habe. Manche Anekdote ist in der Kommunikation zwischen mir und meiner Frau bis heute geblieben wie die Aussage eines Teilnehmern „ich has g’sähh“ (ich habe es gesehen). An alle ehemaligen Workshop-Teilnehmer: Es war eine Freude mit euch. Zu meinem Glück hatte ich nie ein richtiges „Arschxxxx“ dabei. Alles tolle Menschen. Und dem einen oder anderen folge ich noch heute und staune, wie er/sie sich entwickelt hat.

Life goes on… das Leben geht weiter…

Meine kleine Grillhütte – noch nicht ganz fertig….

1 Gedanke zu „Alles hat ein Ende nur die Wurst….“

  1. Hi Thomas, eine beeindruckende und zugleich auch respekteinflößende Geschichte. Mein Vater pflegte immer zu sagen: „Alles ist egal, so lange du gesund bist“. Dein Beispiel zeigt, wie schnell sich das auf erschreckende Weise verändern kann. Aber glücklicherweise, wie es sich wieder zum positiven drehen kann. Gruß, Jann

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